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I Nach Erinnerung an Wurfbewegungen in der Umwelt der Schüler steht
zunächst der physikalische Aspekt im Zentrum, dass beim Wurf zwei
überlagerte Bewegungen gleichzeitig ablaufen, die für sich mit
den bekannten Methoden untersucht werden können: eine
gleichförmige Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit vx0
in horizontaler Richtung und ein Freier Fall in vertikaler
Richtung.
Hilfsmittel zur Erarbeitung dieser Tatsachen können sein: |
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der Versuch mit dem Wurfapparat, der zeigt, dass die Vertikalbewegung von
Freiem Fall und horizontalem Wurf identisch sind (wenigstens in den Fallzeiten),
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der Affenschuss-Versuch von Prof. Scheer (Uni Würzburg), der dasselbe
viel eindrucksvoller und eigentlich für beliebige Zeitpunkte der Bewegung
zeigt,
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Videoaufnahmen von Würfen, insbesondere von einem Vergleich zwischen
Freien Fall und horizontalem Wurf
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Simulationen zu diesen Versuchen
Videoaufnahmen können in verschiedener Weise ausgewertet werden:
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indem mit einem geeigneten Standard-Graphik-Programm Einzelbilder aus dem
Video ausgeschnitten und überlagert werden,
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indem in Einzelbildschaltung ein Bild nach dem anderen auf den Bildschirm
gebracht wird. Die jeweiligen Positionen des geworfenen Körpers werden
auf einer auf dem Bildschirm aufliegenden Folie markiert und anschließend
auf dem Tageslichtprojektor ausgewertet.
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indem das Video mit Hilfe eines Videoauswertungsprogramms (z.B. DIVA oder
GALILEO (Klett-Verlag)) auswertet wird.
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Beispiel: Überlagerte Einzelbilder eines Videos zum horizontalen
Wurf.
Hier wird eine Negativ-Darstellung gewählt, weil die günstigeren
Helligkeitsverhältnisse es den Schülern erleichtern, in Papierkopien
davon horizontale und vertikale Visierlinien einzutragen. (Die Skalen im
Hintergrund sind weniger brauchbar). |
Als griffige Merkregel, um dies zu erleichtern, hat sich bewährt:
Ein horizontal geworfener Körper fliegt soweit, wie er in der Fallzeit
kommt. |
Trotz der etwas merkwürdigen Formulierung enthält der Satz eine
klare Arbeitsanweisung: Wenn Du die Wurfweite berechnen willst, brauchst
Du die Fallzeit! Auch für andere Fragestellungen hat sich der Satz als
Ausgangspunkt für elementare Überlegungen bewährt. Einsetzen
in fertige "Formeln" ist m.E. in diesem Zusammenhang sinnlos.
II Der nächste Schritt einer "Theoretisierung" besteht darin, von
unabhängigen Bewegungen in horizontaler und vertikaler Richtung zu Vektoren
zu kommen. Dabei sollen nicht Spalten- (oder Zeilen-)Vektoren im Mittelpunkt
stehen, sondern Vektoren in koordinatenfreier Darstellung, weil an ihnen
die physikalischen Sachverhalte deutlicher erscheinen als in
Koordinatendarstellungen.
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Aus den Überlegungen des Abschnitts I sind die Richtungen von Vektoren
klar:
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der Geschwindigkeitsvektor v ist definitionsgemäß in jedem
Punkt der Bahn parallel zur Bewegungsrichtung, also längs der Tangente
an die Bahnkurve gerichtet
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der Beschleunigungsvektor a ist (nach dem anfänglichen
Beschleunigungsvorgang) ausschließlich vertikal nach unten gerichtet
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die einzig wirkende Kraft F, die Gewichtskraft ist ebenfalls
ausschließlich vertikal und damit gleichgerichtet zur Beschleunigung
a orientiert.
Daneben kann noch ein Ortsvektor r (oder auch x) eingeführt
werden, der von einem willkürlich gewählten Ursprung (meist dem
Startpunkt) zur momentanen Position gerichtet ist.
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Unterschiedliche Arten von Würfen unterscheiden sich durch die Vektoren
des Anfangsortes x0 und der Anfangsgeschwindigkeit
v0.
Sonst gelten obige Beziehungen, hier für einen willkürlichen Zeitpunkt
eingezeichnet.
In allen Fällen sieht man:
Kraft- und Bewegungsrichtung sind beim Wurf i.A. nicht gleichgerichtet.
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Das ist m.E. eine der wichtigsten Erkenntnisse, die der Schüler aus
diesem Kapitel mitnehmen sollte.
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Es kann sinnvoll sein, mit Spaltenvektoren dieses ohnehin plausible Ergebnis
ein einziges Mal auch formal zu zeigen.
Umgekehrt kann der vektorielle (koordinatenfreie) Ansatz nach Übersetzung
in die Koordinatendarstellung der Spaltenvektoren Ausgangspunkt für
den Ansatz bei Rechenaufgaben sein, z.B. für einen schiefen Wurf. Wiederum:
Einsetzen in fertige "Formeln" ist m.E. in diesem Zusammenhang sinnlos.
Stattdessen erscheint es sinnvoller, Abhängigkeiten zu diskutieren,
z.B. "Wie groß ist die Wurfweite bei doppelter, dreifacher, ...
Startgeschwindigkeit, wie bei doppelter, dreifacher, ... Abschusshöhe?".
Motivation zu Vorhersagen und theoretischen Herleitungen lassen sich mit
einem Schülerversuch (SV) gewinnen:
III Vektorielle Verallgemeinerung der Newtonschen Mechanik
Dabei geht es mehr um eine koordinatenfreie Schreibweise von Vektoren
mit der Betonung von Richtung und Betrag. Die vorherigen Überlegungen
sind kompatibel mit der Folgerung aus der formalen Rechnung, insbesondere
mit der allgemeinen Aussage, dass Kraft F und Beschleunigung a
immer gleichgerichtet sind:
Ganz entsprechend werden auch die Grundgleichungen der eindimensionalen Kinematik
vektoriell verallgemeinert.
v = v0 +
a·Δt
x = x0 +
v0·Δt +
1/2·a·Δt2
für ein Zeitintervall Δt, in dem der
Beschleunigngsvektor a weitgehend konstant ist. |
Das ist Anlass, um noch einmal ausdrücklich zu formulieren:
Ein Körper bewegt sich im Allgemeinen nicht in Richtung der Kraft: Kraft-
und Geschwindigkeitsvektor v sind i.A. nicht gleichgerichtet. Aber
Kraft F und Beschleunigung a, die F hervorruft, sind
immer gleichgerichtet. |
IV Entsprechend des Kausalitätsprogramms der
Newtonschen Mechanik lassen sich bei bekannten Anfangsbedingungen
und bei bekannter Kraft alle Würfe in ihrem Zeitverlauf vorhersagen:
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Nach diesem Schema (formuliert entsprechend der "Methode der kleinen
Schritte") kann jeder beliebige Wurf ohne Luftreibung durchgerechnet
werden.
Bei leichter Abänderung für F lässt sich auch Luftreibung
erfassen.
Für den konkreten Fall (horizontaler, schiefer... Wurf) müssen
die Anfangsbedingungen genauer festgelegt werden.
Dazu sind eventuell die Vektorgleichungen des Schemas in Koordinatengleichungen
zu übersetzen.
Das Schema könnte die Grundlage von Rechnungen auf dem Papier oder von
Simulationen mit dem PC (z.B. mit einem Tabellenkalkulationsprogramm) mit
und ohne Luftreibung sein.
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