Impuls-Erhaltungssatz vor Energie-Erhaltungssatz
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Diese Reihenfolge scheint besonders günstig zu sein, weil bei
Stoß-Experimenten das Phänomen der Impuls-Erhaltung in
einer Eindringlichkeit herauskommt, die beim Energie-Erhaltungssatz nur schwer
zu erreichen ist. Es wird auch klar, dass der Grund für die Definition
eines neuen Begriffs, des Impulses p, eben genau der ist, dass er
bei Stößen erhalten bleibt.
Nachdem geklärt ist, dass jetzt eine neue Art von Mechanik beginnen
soll, die anders als die Newtonsche Mechanik auf den Kraftbegriff verzichtet
(der Name "Mechanik der Erhaltungssätze" wird noch nicht verraten),
werden Stoßexperimente an der Fahrbahn durchgeführt.
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Ein Gleiter stößt elastisch gegen einen ruhenden gleicher Masse.
Die Schüler beobachten, wie der stoßende Gleiter fast schlagartig
stehen bleibt und der zweite Gleiter davon gestoßen wird. Es sieht
so aus, als habe er die frühere Geschwindigkeit übernommen.
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Vielleicht fordern die Schüler ein verbessertes Experiment, bei dem
die Geschwindigkeit vor wie nach dem Stoß gemessen wird. Der Lehrer
schlägt eine Messung mit zwei Lichtschranken vor. Das Ergebnis zeigt
die nächste Abbildung.
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Elastischer Stoß eines Gleiters mit einem ruhenden gleicher
Masse, gemessen mit Lichtschranken.
Es sieht so aus, als würde "Geschwindigkeit übertragen" werden. |
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Problematisierung: Wird also wirklich die Geschwindigkeit weiter gegeben?
Bleibt die Geschwindigkeit konstant? Ein qualitatives Experiment mit
unterschiedlichen Massen zeigt ein unübersichtliches Ergebnis: beide
Gleiter sind nach dem Stoß in Bewegung.
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Der Lehrer schlägt einen inelastischen Stoß gleicher Massen vor,
von denen eine vor dem Stoß ruhte. Wird jetzt auch die Geschwindigkeit
übertragen? Schon der qualitative Versuch widerspricht dem. Die beiden
Massen bleiben aneinander "kleben", vielleicht haben die Schüler den
Eindruck, dass die Geschwindigkeit halbiert wurde. Vielleicht schlagen sie
wieder einen messenden Versuch vor.
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Ein Lichtschrankenexperiment zeigt exakte Halbierung der Geschwindigkeit.
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Inelastischer Stoß eines Gleiters mit einem ruhenden gleicher
Masse, gemessen mit Lichtschranken.
"Geschwindigkeit wird nicht übertragen". Der vereinigte Körper
mit doppelter Masse hat nur noch halbe Geschwindigkeit. |
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Aha, Geschwindigkeit wird sicher nicht übertragen. Aber, was hat sich
noch verändert? Der Körper, der sich nach dem Stoß bewegt,
hat doppelte Masse.
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Doppelte Masse - halbe Geschwindigkeit, ist etwas unverändert geblieben?
Die Schüler schlagen in der Regel vor, dass das Produkt beider konstant
geblieben ist.
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Gilt das immer? Ein Lichtschranken-Versuch mit einem ruhenden Gleiter doppelter
Masse zeigt als gemeinsame Geschwindigkeit der dreifachen Masse 1/3 der
ursprünglichen Geschwindigkeit, ein Versuch mit einem stoßenden
Gleiter doppelter Masse zeigt 2/3 der ursprünglichen Geschwindigkeit.
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Tatsächlich: Das Produkt von Masse und Geschwindigkeit ist in allen
Fällen unverändert geblieben. Es wird nicht die Geschwindigkeit
weiter gegeben, sondern eine völlig neue Größe, die definiert
ist als die eben beobachtete Erhaltungsgröße. Sie wird Impuls
p genannt.
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Im vorliegenden Fall, wo ein Gleiter der Masse m den Impuls p besaß
und übertrug, hängt der Impuls p mit dem Produkt von Masse und
Geschwindigkeit zusammen, und es gilt : p = m.v. (So soll vermieden
werden, dass die Schüler den Impuls als Produkt auffassen bzw. automatisch
davon ausgehen, dass nur ein Körper mit Masse einen Impuls haben
könnte. Auch eine elektromagnetische Welle besitzt ja, wie wir wissen,
einen Impuls, der nicht (automatisch) mit einer Masse zusammenhängt.)
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Wird auch bei elastischen Stößen der Impuls p weitergegeben? Das
kann nicht so einfach gehen, weil ja beide Massen nach dem Stoß in
Bewegung sind.
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Mit zwei Lichtschranken werden bei einem elastischen Stoß von Gleitern
gleicher Masse 3 Geschwindigkeiten gemessen, oder gar 4 wie in den nachfolgenden
Bildern. Vielleicht schlagen Schüler schon die Erhaltung der Summe der
Impulse vor. Das Versuchsergebnis widerspricht der Vermutung, es sei denn,
man verwendet unterschiedliche Vorzeichen der Impulse je nach Bewegungsrichtung.
Dann aber bestätigt sich das Versuchsergebnis sehr gut. Der Impuls wird
als Vektorgröße eingeführt: p = m.v, Impuls
und Geschwindigkeit sind immer gleichgerichtete Vektoren. Wegen der
Richtungsaussage enthält der Impuls mehr Information als die kinetische
Energie, die auch von m und v abhängt.
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Stoß zweier einander entgegen laufender Gleiter auf der
Fahrbahn mit gleichen Massen, mit Lichtschranken vermessen. Hier die
Beträge der gemessenen Geschwindigkeiten vor dem Stoß.
Aus der Impulssumme lässt sich die Masse herauskürzen und liefert
die Geschwindigkeitssumme (0,304 m/s - 0,187 m/s = ) 0,117 m/s |
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Geschwindigkeiten desselben Versuchs nach dem Stoß: Die
Geschwindigkeitssumme ist hier 0,125 m/s. Die Abweichung der beiden
Geschwindigkeitssummen beträgt in diesem Versuch ca. 7 %, häufig
ist die Abweichung geringer.
Die Genauigkeit hängt davon ab, dass die Fahrbahn horizontal justiert
wurde, und dass die Gleiter beim Anschieben keinen seitlichen Stoß
bekamen. Mit etwas Übung lässt sich das perfektionieren. Häufig
wirkte es sich günstig aus, wenn die beiden Gleiter mit der Hand nicht
gleich durch die Lichtschranken geschossen wurden, sondern erst gegen die
Prallböcke an den Enden der Fahrbahn.
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Der Versuch könnte auch mit unterschiedlichen Massen durchgeführt
werden. Ich habe darauf meistens verzichtet.
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Es wird auf den Gesamtimpuls hingelenkt und formuliert:
IES: Bei elastischen wie inelastischen Stößen
bleibt der Gesamtimpuls konstant bzw. "erhalten". |
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Mit Münzstößen werden die quantitativen Versuche
wiederholt und diskutiert, wie sich die Impulsvektoren dabei auswirken
(Stoß gleicher Massen, "klein gegen groß", "groß gegen
klein", elastischer Stoß gegen eine feste Wand). Es kommt darauf an,
dass die Schüler mit den Impulsvektoren anschaulich umzugehen
lernen, z.B. mittels einer Serie von Zeichnungen, in die sie die
Vektorpfeile passend zu den jeweiligen beobachteten Bewegungsrichtungen
einzeichnen. Es wird klargemacht, dass der Impuls nicht nur Aussagen über
den Betrag der Geschwindigkeit und Masse enthält, sondern auch über
die Bewegungsrichtung.
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Vektordiagramm für Stoß gegen eine feste Wand
(entsprechend einem Stoßpartner beliebig hoher Masse)
Das Vektordiagramm erklärt, weshalb die Wand den doppelten Impuls aufnimmt
(und später: so gut wie keine Energie).
Würde man hier m und v ins Spiel bringen, würden die wichtigen
Aspekte verschleiert werden. |
Auch mit dem Sonarmeter lässt sich der IES eindrucksvoll nachweisen.
Ich habe es aber immer vorgezogen, zuerst darauf zu verzichten. Der Versuch
ist zu einer Wiederholung geeignet und zeigt eindrucksvoll noch eine
Besonderheit, nämlich, dass der Gesamtimpuls sogar während des
Stoßes konstant bleibt. Der Versuch scheint mir weniger gut geeignet
zu sein, den Zusammenhang mit Masse und Geschwindigkeit zu erarbeiten.
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Stoß zweier Gleiter gleicher Massen von denen einer vor
dem Stoß ruhte, gemessen mit zwei gegenläufig schauenden
Sonarmetern. Man erkennt hier, dass die Geschwindigkeitssumme sogar
während des Stoßes (recht gut) konstant ist. Eine solche Darstellung
zu "lesen" müssen Schüler allerdings erst lernen.
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Stoß zweier Gleiter gleicher Massen, die vor dem Stoß
aufeinanderzu fuhren, gemessen mit zwei Sonarmetern. Auch hier ist
die Geschwindigkeitssumme sogar während des Stoßes (recht gut)
konstant.
So eindrucksvoll diese Bilder sind, das Erhaltungsphänomen und der
Bilanzcharakter des Impuls-Erhaltungssatzes kommen m.E. beim Versuch mit
Lichtschranken besser heraus. Mit zwei Infrarot-Bewegungsmesswandlern lassen
sich die Versuche auch als Schülerversuche durchführen (Vgl. Buch
"Schülerversuche mit PC ... ).
Die leichte scheinbare Änderung des Gesamtimpulses während des
Stoßes kommt möglicherweise durch ein Nachwippen des Schallreflektors
auf den Gleitern zustande.
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Es wird auf den Bilanzcharakter des IES hingewiesen, vor allem auch darauf,
dass man überhaupt nicht wissen muss, was während des Stoßes
passiert, welche Kräfte dabei wirken. Der IES ist auf jeden Fall zwingend.
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Aufgaben zu inelastischen Stößen zeigen, dass man mit dem IES
Vorhersagen machen kann.
Ich habe es mir angewöhnt, auch schon durch die Symbolik auszudrücken,
dass Impulse grundlegender sind als Geschwindigkeiten: Wenn ein Impuls vorkommt,
wird er immer mit p bezeichnet, nie durch Masse und Geschwindigkeit
ausgedrückt. Erst, wenn nach der Geschwindigkeit gefragt ist, wird im
letzten Schritt der erhaltene Impuls p nach der Geschwindigkeit aufgelöst.
Nach einer Gewöhnungszeit (in der die vertrauten Geschwindigkeiten nicht
mehr vorkommen) erspart dies den Schülern viel Schreibarbeit und schafft
Übersicht.
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Dann wird als weiterer Erhaltungssatz der Energie-Erhaltungssatz wiederholt.
Er braucht nicht neu hergeleitet werden, da sich die Schüler aller Erfahrung
nach an ihre Mittelstufenkenntnisse von ihm erinnern. Er vertieft das
Phänomen der Erhaltung.
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Erst jetzt können auch elastische Stöße mit IES und EES
durchgerechnet werden. Auch hier vereinfacht der Gebrauch des Impulssymbols
und Ekin = p2/2m Schreibarbeit und Rechnung. Insbesondere
könnte es interessant sein, zu einem Lichtschranken-Versuch mit einem
elastischen Stoß bei 4 Geschwindigkeiten nur 3 Geschwindigkeiten abzulesen
und durch Rechnung zu überprüfen, ob sich auch die 4. Geschwindigkeit
richtig ergeben hat (Vgl. Rechentechnik zum elastischen Stoß).
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Nicht für eine durchschnittliche Klasse, aber doch für gute
Schüler ist eine Methode geeignet, mit der man Stöße (bei
einfachen Zahlenwerten) im Kopf rechnen kann, wenn man ins Schwerpunktssystem übergeht.
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