Würzburger Quantenphysik- Konzept

G74b Der Doppel-Doppelspalt

(nach Zeilinger)

Überlagerungs-Zustände  Verschränkte Zustände_2  

Lehrtext/Inhalt    Glossar  Versuchsliste

Vorbereitung:

(1) Ein parametrischer Konverter erzeugt nacheinander Photonenzwillinge. Jeder Zwilling besteht - klassisch gesprochen - aus zwei gleichzeitig ausgesandten, entgegengesetzten Photonen  (1') und (2') [bzw., ein anderer, aus (1) und (2)], mit jeweils entgegengesetzt gleichen Impulsen. Von jedem Photonenzwilling läuft ein Partner gegen einen einfachen Doppelspalt. Fragestellung:

Ist es möglich durch Impulsmessung am Photon (2) bzw. (2') den Durchtrittsort des Photons (1) bzw. (1') durch den Doppelspalt zu erhalten und gleichzeitig das Interferenzbild von Photon (1) bzw. (1')?

Zunächst ist die Fragestellung sehr suggestiv und die Antwort scheint selbstverständlich: Wenn der Detektor (2) Klick macht, müsste Teilchen (1) den oberen Weg gewählt haben. Andererseits sollte Teilchen (1) nichts davon "merken", dass Teilchen (2) registriert wurde, und so unbeeinflusst weiterhin eine Interferenzfigur erzeugen.

(2) Dennoch können Durchtrittsort und Interferenz nicht gleichzeitig beobachtet werden, weil

1. Interferenz erfordert, dass die Quelle genügend klein ist, und weil zugleich

2. die Quelle wegen der HUR genügend groß sein muss, damit die Impulsmessung am Photon (2) genügend genau ist.

Beides ist nicht gleichzeitig exakt erfüllbar. Wenn die Messung des Durchtrittsorts genauer sein soll (Quelle größer), dann verschwindet die Interferenz und umgekehrt.

Ein tieferer Grund für die verschwindende Interferenz bei großer Quelle ist, dass verschränkte Paare in dieser Anordnung nie ganz überlagert sind: Verschränkte Zustände bei - klassisch gesprochen - auseinanderlaufenden Teilchen haben Anteile links und rechts von der Quelle.

(3) Gleiche Anordnung wie bei (2), bei großer Quelle, wenn also eine Messung des Durchtrittsorts  prinzipiell möglich wäre, aber ohne Detektor für Teilchen (2):

Wäre das dann so, als würde man einen einfachen Doppelspalt-Versuch mit den Teilchen (1) durchführen?

Das kann aber doch nicht sein! Allein die Möglichkeit (!) einer Messung des Durchtrittsorts verhindert die Interferenz; es ist gleichgültig, ob an Teilchen (2) tatsächlich gemessen wird oder nicht: Denn wenn Teilchen (1) bereits registriert ist, darf eine Ortsmessung an Teilchen (2) auch nichts an der Situation ändern. Das wäre wieder alte Situation wie in (1).

(4) Ist trotz großer Quelle (also bei möglicher Impulsmessung und damit Messung des Durchtrittsorts) mit Tricks dennoch Interferenz möglich?

a) Normalerweise nein: Denn, wenn die Quelle genügend groß ist, könnte man im Prinzip Welcher-Weg-Information für den Durchtrittsort durch den Doppelspalt erhalten, z.B. erst später, wenn Interferenzfigur bereits längst registriert ist. Das kann nicht sein.

b) Wenn aber die Welcher-Weg-Information verhindert wird, z.B.mit einem zweiten Doppelspalt für die Teilchen (2)?

Weginformation wird dann vernichtet durch die Doppelspalt- Interferenz auch für Teilchen (2). Dann kann prinzipiell keine Welcher-Weg-Information gewonnen werden, und Interferenz für beide Teilchen scheint möglich. Sicher?

Ja, aber ...

(5) Ja, aber: Woher soll denn das Teilchen (1) "wissen", ob Teilchen (2) durch einen Detektor oder aber einen Doppelspalt läuft? Es könnte ja auch sehr spät die Entscheidung getroffen werden, ob Teilchen (2) durch einen Doppelspalt läuft, z.B. erst dann, wenn das Teilchen in der Interferenzfigur bereits registriert ist?

Nein, das Teilchen (1) kann das nicht "wissen"; also ist doch keine Interferenz möglich.

"Solange wir nicht darauf achten" (Zeilinger), was das Teilchen (2) macht, darf für Teilchen (1) keine Interferenz auftreten. (Es ist dann dem Teilchen (1) sozusagen "nicht bekannt", ob Teilchen (2) dazu verwendet wird, die Weginformation herauszuholen, oder ob diese Weginformation von Teilchen (2) vernichtet wird.)

(6) Sobald aber ein bestimmtes einzelnes Teilchen (2) auf dem Schirm 2 hinter seinem Doppelspalt registriert ist?

Dann steht fest: Welcher-Weg-Information ist jetzt "vernichtet". In dem Moment, in dem das Teilchen (2) an einer bestimmten Stelle der Interferenzfigur hinter seinem Doppelspalt registriert wird, ist klar, dass keine Welcher-Weg-Information gesammelt wurde.

Im Prinzip sollte jetzt eine Interferenzfigur möglich sein.

(7) Ja, aber nur für die Teilchenpaare (1) und (2), die gleichzeitig auftreten.

Also wird der Trick vorgeschlagen:

Es wird eine "Koinzidenz-Messung" durchgeführt: Alle Teilchen (1) werden registriert, die zugleich mit einem Teilchen (2) für einen Detektor an einem bestimmten Ort in der Interferenzfigur erscheinen (setzt voraus, dass unterschiedliche Laufzeiten keine Rolle spielen). Durch die gleichzeitige Registrierung von Teilchen 1 und 2 ("Koinzidenz") wird gesichert, dass keine Weginformation vorhanden ist.

Für die Teilchenpaare, die genau gleichzeitig auftreten, entstehen jetzt Zwei-Teilchen-Interferenzen.

(Das hat etwas damit zu tun, dass die Zweiteilchen-Wellenfunktion Anteile links wie rechts von der Quelle hat, die sich beide für sich überlagern und einen Interferenzterm liefern müssen.)

(7) Folgerung:
  • WWI muss vernichtet werden, damit Interferenz entstehen kann.
  • "Es ist nur dann sinnvoll, von einer physikalischen Größe - eben vom Weg oder vom Interferenzbild - zu sprechen, wenn diese tatsächlich gemessen wird und die Messung des einen die Beobachtung des anderen ausschließt." (Zeilinger)
  • Der Teilchenzwilling bildet eine Einheit, die ohne eine Messung nicht in einzelne Teilchen aufgeteilt ist; nur mit dem ganzen Zwilling ist diese Art von Interferenz möglich.
  • Ereignisse sind unempfindlich dagegen, welches Bild wir uns von ihnen machen
  • Die Diskussion ist nicht eine Frage von "Teilchen- "oder "Wellencharakter"!

(8) Technische Durchführung des Versuchs von Malvern 1990.

.

.