Würzburger Quantenphysik- Konzept

G62a Einige Fakten zur Hohlraum-Quantenelektrodynamik

(cavity quantum electrodynamics)

Emission von Licht  objektiver Zufall

Lehrtext/Inhalt    Glossar  Versuchsliste

Werden Atome elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt, kann alles Mögliche passieren, abhängig von der Frequenz der Strahlung, der Atomsorte, dem Anregungszustand des Atoms und auch der Umgebung.

1. Elektromagnetische Strahlung kann Atome anregen oder zur stimulierten Emission zwingen

Schon Einstein entdeckte, dass dann, wenn der Energieabstand zweier Energiestufen im Atom mit der Photonenenergie übereinstimmt, den Atomen Energie zugeführt werden kann, dass die Atome dann "angeregt" werden können ("excited"). Er entdeckte aber auch, dass in der gleichen Situation angeregte Atome aber auch veranlasst werden können, ein Photon mit genau derselben Energie wieder abzugeben ("stimulierte Emission"). "Stimuliert" hieß diese Emission im Unterschied zur "spontanen Emission", weil sie eben vor allem durch die äußere Strahlung hervorgerufen wurde. Jedes angeregte Atom  im freien Raum gibt nach einer gewissen Zeit, im Mittel nach der "mittleren Lebensdauer", spontan seine Überschussenergie in Form eines Photons ab. Solche mittleren Lebensdauern sind typisch in der Größenordnung von 10-8 s. Gelingt es, viele Atome auf ein bestimmtes Niveau mit einer relativ großen mittleren Lebensdauer anzuheben, auf ein metastabiles Niveau, dann kann durch äußere Strahlung passender Frequenz der vorzeitige Übergang in einen tieferen Zustand stimuliert werden. Diese Entdeckung war die Grundlage für die Erfindung des Lasers.

2. In den 70-er Jahren entdeckte man, dass in stehenden Lichtwellen auch neutrale Atome Kräfte erfahren. Dass ein Strahlungsdruck durch Licht auf geladene, bewegte Körper mittels der Lorentz-Kraft des magnetischen Feldanteils ausgeübt werden kann, war ja schon lange bekannt.

Wie können überhaupt einzelne Atome, die irgendwo gefangen sind, nachgewiesen oder gar sichtbar gemacht werden? Naja, sie werden mit Licht geeigneter Frequenz bestrahlt und geben dieses Licht als Fluoreszenzlicht wieder ab. Da man einzelne Lichtblitze bzw. Photonen zählen kann, manchmal sogar mit freien Auge sehen kann, kann man jedes einzelne Atom so lokalisieren und identifizieren, wenn die Atome genügend weit voneinander entfernt sind.

Aber völlig anders verläuft die Wechselwirkung zwischen Atomen und elektromagnetischer Strahlung, wenn das Atom in einem Hohlraum mit spiegelnden Wänden und geeigneten Abmessungen eingesperrt ist. Die eingestrahlte elektromagnetische Strahlung wird an den spiegelnden Wänden hin und her reflektiert. Nur bei bestimmten Wellenlängen (im einfachsten Fall, wenn ein ganzzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge in eine Hohlraumdimension passt) bilden sich stehende Wellen mit Knoten und Bäuchen aus. Der Hohlraum wirkt als Resonator (Hohlraumresonator). Entsprechend wird ein von einem Atom im Hohlraum emittiertes Photon hin und her reflektiert, solange es nicht wieder vom Atom absorbiert wird oder durch Unregelmäßigkeit in der Verspiegelung den Resonator verlässt. Heutzutage kann man durch raffinierte Oberflächenbearbeitungstechniken, durch Verspiegelung mit supraleitenden Metallen (z.B. Niob) und entsprechender Kühlung (typ. 1 K) Resonatoren von extrem hoher Güte erzeugen.

3. Ein Atom im nichtresonanten Resonator

Nehmen wir an, in einem Hohlraumresonator sei eine elektromagnetische Schwingung angeregt (Licht oder Mikrowellen). Dann bringen wir ein einzelnes Atom in den Hohlraum. Die elektromagnetische Schwingung passe zu keiner Übergangsfrequenz zwischen zwei Energieniveaus des Atoms ("nichtresonanter Resonator"). Die Schwingung wird weder eine Anregung noch eine stimulierte Emission bewirken. Insofern kommt es nicht zu einer Wechselwirkung zwischen dem elektromagnetischen Feld und dem Atom.  Rydberg-Atome sind in der Regel Alkaliatome mit einem Außenelektron. Sie können so angeregt werden, dass das äußerste Elektron nur schwach gebunden ist und fast wie ein klassisches Elektron den Atomrumpf (mit Atomkern und den restlichen Elektronen) sehr nahe an einer Bohr'schen Bahn umkreist. Ein solches Atom hat riesige Abmessungen ( bei der Bahnquantenzahl n = 50 ca. 2500-facher Radius eines H-Atoms). Deswegen wirkt es quasi als Dielektrikum im Hohlraum und verändert dessen Resonanzfrequenz. Er schwingt dann entweder in dieser neuen Resonanzfrequenz oder "gerät außer Takt". Bereits ein einziges solches Rydberg-Atom kann diese Wirkung haben! Im Prinzip eine Möglichkeit, ein einzelnes Atom nachzuweisen!

4. Nachweis eines einzelnen Atoms im Resonator

Von einem mechanischen Doppel-Pendel mit zwei identischen Pendeln und einer weichen Kopplungsfeder zwischen ihnen ist es bekannt: Es entstehen zwei stationäre (Eigen-)schwingungen, bei denen beide Pendelmassen mit der gleichen Frequenz schwingen (in der Mechanik ist das die Bedingung für eine Eigenschwingung): Bei der einen schwingen beide Pendelmasse gleichphasig, bei der anderen gegenphasig. Bei der letzteren wird die Kopplungsfeder beansprucht; deswegen ist die Eigenfrequenz etwas größer als die bei einem gleichartigen einfachen Pendel. Es gibt andere gekoppelte und schwingungsfähige Systeme, bei denen beide Eigenfrequenzen verschieden sind von der eines gleichartigen einfachen Systems, die eine etwas höher, die andere etwas tiefer.

Ähnlich verhält es sich bei einem einzelnen (Rydberg-)Atom im Hohlraumresonator. Ohne Atom entspricht der Resonator dem einfachen Pendel. Bringt man ein Atom in den Resonator spaltet die Eigenfrequenz des Resonators auf in eine etwas niedere und eine etwas höhere als die "ungestörte" Frequenz (Aufspaltung typisch einige MHz). An Stelle dieser liegt sogar ein Minumum der Resonanzkurve. Wird ein Laserstrahl mit Resonanz auf der ungestörten Eigenfrequenz durch den leeren Resonator geschickt, ändert sich seine Transmission drastisch, wenn ein Atom durch den Resonator wandert.

5. Auch der Hohlraum bestimmt die Lebensdauer eines Atoms im angeregten Zustand

In einen evakuierten Hohlraumresonator sehr hoher Güte ohne Strahlung von außen wird ein einzelnes angeregtes Atom gebracht. Am deutlichsten wird der Effekt wieder mit einem Rydberg-Atom erzielt. Man würde denken, dass nach einer Zeitdauer, die grob durch die mittlere Lebensdauer des Atoms bestimmt ist, das Atom spontan seine Überschussenergie in Form eines Photons abgibt - wie ein "freies" Atom. Aber das mit dem Photon verbundene elektromagnetische Feld muss zu den Eigenfrequenzen des Hohlraumresonators passen. Falls ja, kann der Hohlraum das Photon "aufnehmen", falls nein, kann das Atom seine Überschussenergie nicht loswerden. Es kann dann im angeregten Zustand sehr viel länger verharren, als seine mittlere Lebensdauer "erlaubt". Lebensdauern von typisch 40 s wurden schon beobachtet. Beobachtet werden kann dies wieder (im Prinzip) durch das Fluoreszenzlicht, das das Atom bei der Photonenemission schließlich doch abgibt.  Umgekehrt, wenn die Übergangsfrequenz im Atom sehr gut zu einer der Resonanzfrequenzen des Hohlraums passiert, "nimmt der Hohlraum schneller das Photon auf" als es nach der mittleren Lebensdauer zu erwarten wäre. Man kann so also Einfluss darauf nehmen, wie lange ein Atom in einem angeregten Zustand verharrt.

6. Es wurde viel spekuliert, "wie denn das Photon feststellen kann, dass die Eigenfrequenzen des Hohlraums nicht zu ihm passen, wenn es noch gar nicht existiert?".  Eine Antwort darauf hängt mit den Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Felds im Hohlraum zusammen. Denn ein evakuierter Hohlraum ist keineswegs leer.  Es gibt eine Heisenberg'sche Un-be-stimmtheitsrelation (HUR) für das elektrische und das magnetische Feld (E und B). Danach kann das Produkt aus E-Un-bestimmtheit und B-Un-be-stimmtheit ΔE·ΔB für eine bestimmte Koordinatenrichtung nicht beliebig klein sein. Dem entspricht, dass nicht E und B gleichzeitig verschwinden können. Selbst im Grundzustand des elektromagnetischen Feldes, also in einem Zustand ohne ein Photon, wird das durch Fluktuationen beider Felder erreicht. Aber es können wiederum nur solche Fluktuationen entstehen, die zu den Eigenschwingungen des Hohlraums passen. Diese Vakuumfluktuationen sind für den messbaren Effekt verantwortlich, dass zwei neutrale Kondensatorplatten im Vakuum in geringem Abstand sich gegenseitig anziehen (Casimir-Effekt). Es wird nun behauptet, dass solche Vakuumfluktuationen auch Ursache für die spontane Emission angeregter Atome seien. Wenn jetzt also keine geeigneten Komponenten der Vakuumfluktuationen vorhanden sind, können sie auch nicht das Atom zur spontanen Emission eines Photons anregen.

7. Rabi-Oszillationen

In Punkt 1 wurde schon erwähnt, dass elektromagnetische Strahlung in gleicher Weise Atome anregen kann (Energiezufuhr durch ein Photon) wie auch zur stimulierten Emission bringen kann (Energieabgabe in Form eines Photons). Vielfach lässt sich ein beteiligtes Atom als Zweiniveau-System mit einer Übergangsfrequenz ω behandeln, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Spinsystem mit zwei Einstellmöglichkeiten im Magnetfeld hat. Dann gibt es also periodische Übergänge vom Zustand "Atom im Grundzustand + 1 Photon" in den Zustand "Atom im anregten Zustand + kein Photon" und umgekehrt. Die Frequenz Ω, mit der das geschieht, heißt nach ihrem Entdecker (ca. 1930) Rabi-Frequenz mit einer bestimmten Periodendauer. (Eine gewisse Analogie besteht auch zu den Neutrino-Oszillationen zwischen verschiedenen Neutrino-Typen.) So können Atomzustände mit Feldzuständen verschränkt werden. Stimmt man die Laufzeit des Atoms genau auf die Rabi-Frequenz ab, kann man es erreichen, dass das Atom im gleichen Zustand den Resonator verlässt, in dem es eingetreten ist. Beschrieben durch die Periode der Rabi-Oszillation nennt man das einen 2π-Puls des Mikrowellenfelds. Dennoch hat sich dabei die Phase des Zustands geändert. Oder man kann erreichen, dass aus einem eindeutigen Zustand des eintretenden Atoms eine Überlagerung der zwei möglichen Zustände entsteht. Je nach Zeitdauer des Impulses im Vergleich zur Aufenthaltsdauer des Atoms kann jedes Mischungsverhältnis der beiden Anteile erreicht werden. Wenn das Atom gerade zu 50% in dem einen und zu 50% in dem anderen Zustand ist, nennt man das einen π/2-Puls, der z.B. wichtig ist für das Ramsey-Interferometer. Bei einem π-Puls geht jeder der beiden Zustände in den jeweils anderen über. Ramsey erhielt 1989 zusammen mit Paul und Dehmelt den Nobelpreis. (Ausgehend von einem Atom in einem Zustand mit be-stimmter Energie ist nach einem π/2-Puls die Energie des Atoms un-be-stimmt. Eine Energiemessung würde aber in 50% der Fälle die höhere und in den anderen 50% die niedere Energie liefern.) Bei zwei möglichen verschränkten Zuständen zwischen Feld und Atom kann man so jedes gewünschte Mischungsverhältnis einstellen.

8. Kräfte auf Atome im Resonator

Ein Hohlraumresonator sei auf Resonanz mit einer Übergangsfrequenz eines Rydberg-Atoms eingestellt, enthalte aber zunächst kein Photon. Es werden nacheinander einzelne angeregte Rydberg-Atome durch den Resonator geschickt. Die beiden Atomniveaus und das elektromagnetische Vakuumfeld bilden ein gekoppeltes System, wieder mit zwei stationären (Eigen-)Zuständen. Das Atom kann unter Abgabe eines Photons in den Grundzustand übergehen (die Übergangsfrequenz passt ja zur Resonanzfrequenz des Resonators). Das gekoppelte System baut also auf den Zuständen "Atom im angeregten Zustand und kein Photon" und "Atom im Grundzustand und ein Photon" auf. Durch Überlagerung kann man daraus die zwei Eigenzustände bilden. Die Übergangsfrequenz (und Frequenzaufspaltung) hängt von der Amplitude des Vakuumfelds gleicher Frequenz ab, die in der Mitte des Resonators maximal ist. Dort ist also die Kopplung zwischen Atom und Feld maximal. Hat man das System in den höherenergetischen Eigenzustand gebracht mit dem Energiemaximum in der Mitte, wird das eintretende Atom zurückgestoßen. Hat man das System in den niederenergetischen Eigenzustand gebracht, versuchen Kräfte, das Atom in die Mitte des Resonators zu ziehen und dort festzuhalten. Der Effekt ist extrem klein und erfordert extrem langsame Atome (typisch: wenige cm/s). Mit mehr Photonen im Resonator lässt er sich verstärken.

9. kohärente Zustände mit un-be-stimmter Photonenzahl und Fockzustände mit be-stimmter Photonenzahl

Wird ein Resonator zu klassischen elektromagnetischen Schwingungen angeregt, ganz gleich welcher Amplitude, so lässt sich der zugehörige quantenmechanische Zustand als kohärenter Zustand (auch Glauber-Zustand nach seinem Erfinder R.J. Glauber, Nobelpreis 2005) beschreiben. Bei ihm ist die Anzahl der beteiligten Photonen un-be-stimmt. Diese genügt einer Poisson-Verteilung mit einer - je nach Stärke der Anregung unterschiedlichen - mittleren Photonenzahl. Mit Graufiltern lässt sich im Prinzip aus einer so beschriebenen Laserstrahl-Mode ein immer noch kohärenter Zustand mit einer geringeren mittleren Photonenzahl erzeugen, u.U. sogar ein Zustand mit einer mittleren Photonenzahl kleiner als 1.  Solch ein Zustand ist nützlich für bestimmte Versuche. Mit anderen Methoden kann man einen Zustand mit be-stimmter Photonenzahl (0, 1, 2, 3, ... ) im Resonator erzeugen (einen so genannten Fock-Zustand). Ein solcher Zustand ist für andere Versuche nützlich.

E Die Wechselwirkung einzelner Atome mit dem elektromagnetischen Feld in einem Hohlraumresonator ermöglicht eine Vielzahl von raffinierten Versuchen zu Grundlagen der Quantenphysik auf dem Weg zu einem Quantencomputer.

Literatur:

Haroche S., Raimond J.M., Cavity Quantum Electrodynamics, Scientific American, April 1993, 26 - 33