Würzburger Quantenphysik- Konzept

G45 Heisenberg'sche Un-be-stimmtheitsrelation (HUR)

Komplementarität Nicht gleichzeitige Messbarkeit

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Sie gibt für nicht gleichzeitig messbare ("komplementäre") Größen an, in welchen Bereichen die zugehörigen Messwerte un-be-stimmt sein können. Das wirkt sich so aus, dass die Messwerte bei wiederholten Messungen eben in diesen Un-be-stimmtheitsbereichen streuen, wenn man immer wieder am gleich präparierten System misst. (Misst man dagegen an einem System zweimal hintereinander, so erhält man jeweils den gleichen Messwert, wenn das System nicht in der Zwischenzeit verändert wurde.) Mit großer Wahrscheinlichkeit wird man dann am jeweils gleich präparierten System Messwerte in den angegebenen Un-be-stimmtheitsbereichen finden.

Seien A und B die beiden komplementären Messgrößen. Dann  hat die HUR eine Struktur der Form

                                                        ΔA·ΔB >= k  mit einer Konstanten k.

(k ergibt sich aus dem "Kommutator der beiden Messgrößen A und B". Die Mathematik dazu spielt hier keine Rolle. Den genauen Wortlaut der HUR finden Sie unten.)

Dabei sind ΔA und ΔB eben die beiden Un-be-stimmtheiten. Sie geben an, in welchen Bereichen um einen jeweiligen Mittelwert Messwerte zu erwarten sind. Die HUR enthält ein Ungleichheitszeichen, weil durch zusätzliche Effekte (z.B. durch klassische Störungen, oder durch die zeitliche Entwicklung) die tatsächlichen Un-be-stimmtheiten noch größer sein könnten. Ein Sonderfall liegt vor, wenn das Gleichheitszeichen gilt ("minimale Un-be-stimmtheit").

Nimmt man das Paar von komplementären Größen Ortskoordinate x (A) und Impulskoordinate px (B) (im Zusammenhang mit der Geschwindigkeitskoordinate vx: px = m·vx), dann hat die Konstante k  gerade den Wert h /2 = h/4·π :  
                                                     
       Δx·Δpx >= h / 2  .  h = h/2·π ("h quer")      

Man kann das System so präparieren, dass A einen be-stimmten Wert hat. Dann ist die Un-be-stimmtheit ΔA = 0. Um die HUR zu erfüllen, muss dann B beliebig un-be-stimmt sein, also ΔB gegen unendlich gehen. B ist dann beliebig un-be-stimmt.

Bei einer experimentellen Überprüfung der HUR hätte man so vorzugehen:

(Hinweis: Es ist gleichgültig, ob man für das Folgende ein Quantenteilchen sehr oft immer wieder untersucht, oder ob man sehr viele identische, nicht wechselwirkende Quantenteilchen im gleichen Zustand betrachtet. Es geht immer um die Statistik eines Ensembles von Messungen.)

1. Schritt:  Präpariere das/die Teilchen in einen Zustand Ψ.

2. Schritt: Dann wird die A-Messung durchgeführt; das Ergebnis wird registriert.

3. Schritt: Das Teilchen (oder identisches) wird wieder in den Zustand Ψ präpariert.

4. Schritt: Dann erfolgt die B-Messung; das Ergebnis wird registriert.

Das wird sehr oft wiederholt. Die A- und die B-Werte streuen dann um gewisse Erwartungswerte. Als Un-be-stimmtheiten ΔA und ΔB werden die Standard-Abweichungen von den jeweiligen Erwartungswerten (Mittelwerten) genommen. Für Abschätzungen, wie z.B. unten, wird oft die 2/3-Regel verwendet, die häufig, aber nicht immer, als Faustregel geeignet ist: "Ca. 2/3 aller Messwerte liegen in einer Standard-Abweichung symmetrisch um den Erwartungswert."

Nach der 2/3-Regel schätzen wir ab: Δx = 0,35·d, Δp = h/λ = h/4·d. Also:

Δx·Δp = 0,35·d·h/4·d = h/11,4       (nach der exakten HUR hätte im Nenner 4·π = 12,56 stehen müssen)

Hätten wir ein Ensemble von sehr vielen identischen und ununterscheidbaren, nicht wechselwirkenden Teilchen in denselben Zustand präpariert (nur mit Bosonen wäre das möglich) und dann immer wieder gleichzeitig (an verschiedenen Teilchen des Ensembles; deshalb ist das jetzt möglich) Ort und Impuls gemessen, hätten sich die gleichen Verteilungen und dieselbe HUR ergeben.

Um das merkwürdige Phänomen der HUR plausibel zu machen, haben früher auch so bedeutende Wissenschaftler wie Einstein, Heisenberg oder Feynman klassische Modelle entworfen, um einen "Mechanismus" dafür zu finden.

Feynman sagte z.B., wenn man den Durchtrittsort von Elektronen oder Atomen durch den Doppelspalt feststellen wollte, müsste man die durchtretenden Teilchen nur mit Licht beleuchten. Dann gäbe es - wenigstens im Prinzip - ein Streuscheibchen um das Teilchen herum, an dem man erkennen können, durch welchen Spalt das Teilchen gerade durchtritt. Die Wellenlänge λ des Lichts ist ein gutes Maß für die Ausdehnung dieses Streuscheibchens. Genaue Information über den Durchtrittsort erhält man nur, wenn man kurzwelliges Licht verwendet; nur dann ist das Streuscheibchen genügend klein. Nimmt man aber kurzwelliges Licht, wird ein relativ hoher Impuls auf das Teilchen übertragen, der das Teilchen "aus der Bahn schlägt" (in der Sprechweise dieses Modells). Man weiß dann zwar den Durchtrittsort recht genau, aber das Teilchen wird wegen dieses Rückstoßes anderswo auf dem Schirm nachgewiesen als in den Maxima der Interferenzfigur. Nimmt man langwelliges Licht, wird ein relativ geringer Impuls auf das Teilchen übertragen, der das Teilchen nur geringfügig "aus der Bahn schlägt". Dann kennt man aber den Durchtrittsort nur ungenau. Die Interferenzfigur ist noch erkennbar, wenn auch etwas "verwaschen".

Dieses klassische Modell macht die Sachverhalte plausibel. Es macht insbesondere klar, dass man auch klassisch nicht erwarten kann, Ort und Impuls gleichzeitig beliebig genau zu messen. Es setzt aber fälschlich voraus, dass Teilchen wie Photonen vor der "Störung" durch die Beleuchtung (und auch nachher) bereits be-stimmte Eigenschaften wie einen Durchtrittsort oder Impuls besitzen. Dafür gibt die gesicherte Quantentheorie keinen Anlass. Nach der Quantentheorie ist die HUR allein eine Folge der nicht gleichzeitigen Messbarkeit bzw. Nichtexistenz komplementärer Messwerte.

In den letzten Jahren (2010 - 12) ist es Wissenschaftlern sogar gelungen (z.B. an der TU Wien), die beiden Anteile von "Unschärfen" (quantentheoretische Un-be-stimmtheit und gegenseitige klassische Störung der beiden Messgrößen) experimentell voneinander zu trennen.


Eine weitere wichtige Unschärferelation verknüpft zeitliche und energetische Unschärfe:

                                                           ΔE · Δt   >=   h/2·π  = h

Sie entspricht einer klassischen Unschärferelation für Frequenzunschärfe und zeitlicher Unschärfe

                                                           Δf · Δt   >=   1/2·π

Sie lässt sich nicht aus der Quantenmechanik herleiten, weil die Zeit keine quantenmechanische Messgröße ist, sondern im Sinne der Quantenmechanik nur ein Parameter.

Auch sie lässt sich plausibel machen: Um die Energie mit einer Genauigkeit  ΔE zu messen muss die Messung mindestens die Zeit Δt   =   h/ΔE beanspruchen. D.h., falls ein System einen bestimmten Zustand höchstens die Zeit τ aufrecht erhält, ist seine Energie unsicher in einem Bereich von mindestens ΔE = h.


Eine weitere wichtige Un-be-stimmtheitsrelation verknüpft bei einer elektromagnetischen Welle Teilchenzahl N und Phase φ (bzw. cos(φ oder sin(φ)) oder, in einer anderen Formulierung, die Un-be-stimmtheiten von elektrischer und magnetischer Feldstärke, E und B, für zueinander senkrechte Koordinatenrichtungen bei linear polarisierten ebenen Wellen, oder auch gleichgerichte bei zirkularpolarisierten. Es gilt dann u.a.

                                                     . ΔE · ΔB  >= 1/2 ·  Eph· k     mit einer vom Maßsystem abhängigen Konstanten k und der Photoenenergie Eph..

Wortlaut

Ein Quanten-System sei in einen bestimmten Zustand präpariert worden. Für diesen Zustand seien A und B zwei nicht gleichzeitig messbare Größen.

Zukünftige Messwerte von A und B werden für den betrachteten Zustand so realisiert werden, dass sie innerhalb der Un-be-stimmtheiten ΔA und ΔB streuen.

Das Produkt der Un-be-stimmtheiten lässt sich nicht unter eine bestimmte Schwelle drücken:

ΔA · ΔB  >= | <[A,B]> /2i | = h/2 = h/4·π

(h ist dabei das Plancksche Wirkungsquant; i die imaginäre Einheit; die Un-be-stimmtheiten sind die Standard-Abweichungen der statistischen Streuungen.)

Wenn A = x und B = px, gilt | <([A,B]>/2i | =  | < A·B- B·A >/2i | =  h/2 = h/4·π

 2/3-Regel:

Bei einer Normalverteilung liegen 68,27 % (ca. 2/3) der Messwerte in einem Streifen der Breite 2·σ symmetrisch um den Erwartungswert. Als Faustregel wird sie manchmal auch bei anderen Verteilungen verwendet.

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(ergänzt Februar 2014)